Interview der RZ: Tigin Yaglioglu wechselt nach Wiesbaden
Neuwied/Wiesbaden. Plötzlich ging alles ganz schnell: Der Volleyballtrainer Tigin Yaglioglu, bislang Coach des VC Neuwied, wechselt innerhalb der Frauen-Bundesliga zum VC Wiesbaden.
Nachdem die Deichstadtvolleys Mitte Dezember 2023 einen Insolvenzantrag hatten stellen müssen, endete unfreiwillig das dreijährige Gastspiel der Neuwiederinnen in der höchsten deutschen Spielklasse. Nach dem letzten Spiel der Zwischenrunde 2023/2024 am 27. Januar beim USC Münster war Yaglioglu wie seine Spielerinnen und weitere Mitarbeiter der insolventen Deichstadtvolleys GmbH auf der Suche nach einem neuen Engagement. Nun hat Yaglioglu überraschend schon eine neue Tätigkeit in der hessischen Landeshauptstadt begonnen. Der 32-jährige Trainer, der 2022 vom Zweitbundesligisten TSV Bayer Leverkusen in die Deichstadt gewechselt war, hatte dort als sportlich verantwortlicher Cheftrainer das Projekt U 23-Plus vorangetrieben, mit dem junge deutsche Spielerinnen Spielpraxis in der Bundesliga verschafft werden sollte, damit diese sich an das Bundesliganiveau herantasten können. Im Interview mit unserer Sportredaktion hat Yaglioglu über seine neuen Aufgaben beim VC Wiesbaden gesprochen.
Glückwunsch Herr Yaglioglu zu Ihrem neuen Job, der zum jetzigen Zeitpunkt für Sie unverhofft kam. Wie überrascht waren Sie, als Wiesbaden Kontakt zu Ihnen aufgenommen hat?
Dankeschön! Es war so schnell natürlich nicht zu erwarten, dass es ein Angebot für mich geben wird. Man braucht auch ein Quäntchen Glück, um zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein. Aber ich musste mich bisher immer auch empfehlen. Als in Leverkusen ein Cheftrainer gesucht wurde, hatte ich in diesem Verein zuvor erfolgreich schon Nachwuchsarbeit gemacht. Bei meinem Schritt von Leverkusen nach Neuwied war es ähnlich. Und sogar unsere Arbeit beim VC Neuwied wird trotz fehlender Ergebnisse zwischen den Zeilen durchaus Wert geschätzt. Immerhin haben sieben von acht unserer zum Abschluss gesunden Spielerinnen bei anderen Vereinen direkt sportliches Interesse geweckt.
Kürzlich hatten Sie noch geäußert, die nun freie Zeit zunächst dazu nutzen zu wollen, um bei verschiedenen Klubs zu hospitieren und sich weiterbilden zu wollen. Wie kam es jetzt zu Ihrem Anschlussvertrag?
Als mein Wiesbadener Trainerkollege Benedikt Frank sich Anfang Februar im Training die Patellasehne gerissen hat, habe ich ihm per WhatsApp gute Besserung gewünscht. Kurz darauf hat er mich angerufen, wir haben eine Stunde lang telefoniert. Zwei Tage später habe ich mit Wiesbadens Geschäftsführer Christopher Fetting gesprochen. Wir waren uns relativ schnell einig. Wortwörtlich brannte es beim VC Wiesbaden. Für die VCW-Mannschaften in der 1. und 2. Bundesliga fehlte kurzfristig Manpower.
Waren Sie überrascht, dass die Wahl auf Sie fiel?
Vor längerer Zeit hatte Wiesbaden schon mal locker den Kontakt zu mir gesucht. Benedikts Situation war jetzt der Anlass. Ich hatte Glück, dass ich auf dem Markt war. Es gab sicher auch Anfragen und Interesse anderer Trainerkollegen bei Wiesbaden. Aber der Verein und ich hatten beiderseits gleich ein gutes Gefühl.
Welche Aufgaben werden Sie nun beim VC Wiesbaden übernehmen?
Ich übernehme als Trainer die Verantwortung für die zweite Wiesbadener Mannschaft, die in der 2. Bundesliga Süd spielt. Und beim Bundesligateam fungiere ich zudem als Co-Trainer. Bislang war Benedikt Frank für beide Mannschaften gleichzeitig der Cheftrainer. Die Vollzeitstelle, die ich nun einnehme, ist eine tolle Position. Der Trainer der zweiten Mannschaft soll junge Spielerinnen von unten an die 1. Bundesliga heranführen und in ihrer sportlichen Entwicklung begleiten.
Wie lange ist die Vertragslaufzeit?
Der Vertrag gilt zunächst bis zum Saisonende. Der Verein hatte auch für länger angefragt, aber ist sehe mich aktuell erst mal nicht länger in dieser Rolle, wenngleich sie als Konzept für den Verein super ist.
Was erwartet Sie konkret in der täglichen Arbeit bei Ihrem neuen Verein?
Physisch übernehme ich jetzt das, was Bene bisher gemacht hat. Ich bin für das Training und die Spieltagsbetreuung der Mannschaft in der 2. Bundesliga verantwortlich und auch in den Trainingsbetrieb der Bundesligamannschaft fest integriert. Der sportliche Kopf des VC Wiesbaden bleibt aber natürlich Benedikt Frank. Das ist für mich eine spannende Aufgabe. Wir kennen und schätzen uns gegenseitig und freuen uns nun auf unsere gemeinsame Arbeit.
Welche Zielsetzung haben der Cheftrainer Benedikt Frank und Sie für Wiesbadens Saisonendspurt?
Ich persönlich hoffe, dass ich das eine oder andere zum sportlichen Erfolg des VC Wiesbaden beitragen kann. Für mich ist es reizvoll, die Arbeitsweise eines sehr guten Trainerteams kennenzulernen. Das Ziel der Bundesligamannschaft wird es sein, nach der Zwischenrunde den sechsten Platz einzunehmen. In den Play-offs wäre nach aktuellem Stand dann im Viertelfinale der Dresdner SC unser Gegner. Vielleicht ist für Wiesbaden ja sogar das Halbfinale um die deutsche Meisterschaft drin.
Was wünschen Sie sich ganz persönlich für den weiteren Verlauf des Jahres 2024?
Ich habe in den vergangenen zwei Spielzeiten mit meinen Teams viele Spiele verloren. Es wäre schön, wenn ich jetzt mal wieder häufiger gewinnen würde (schmunzelt).
Und ich hatte ein super Gespräch mit Bene und Christopher Fetting. Meine Bitte war es, dass ich trotz meines Vertrags in Wiesbaden die U 20 der Mittelrheinvolleys bis zum Saisonende coachen darf. Ich fühle mich den Mädels und ihren Eltern gegenüber verpflichtet, in Neuwied und Andernach das zu vollenden, was wir gemeinsam begonnen haben. Viele Spielerinnen sind auf meine Initiative dabei. Gemeinsam mit Niclas Schlüter, dem Regionalligatrainer der SG Mittelrheinvolleys, und Benjamin Meßner, dem hauptamtlichen Jugendtrainer und Nachwuchskoordinator des VC Neuwied, wollen wir uns mit dem Team wie im Vorjahr wieder für die U 20-DM qualifizieren. Das war wie gesagt eine Bitte von mir und keine Bedingung für mein Engagement beim VC Wiesbaden. Ich bin sehr dankbar dafür und weiß es sehr zu schätzen, dass ich das nun tun kann.
Das Gespräch führte
Christoph Hansen